Auch in diesem Winter öffnet unsere Notübernachtung in der Bergstraße wieder ihre Türen. Zum Start haben wir uns mit Josephine Lysek unterhalten. Sie hat als Nachtbereitschaft in der Kältehilfe angefangen und koordiniert seit letztem Jahr unser Übernachtungsangebot im Ortsteil Wannsee.
Josephine, wie bist du zur Kältehilfe gekommen?
Ich habe 2015 als Nachtbereitschaft in der Notübernachtung Arcostraße angefangen. Das war eine super Saison mit vielen tollen Kolleg*innen und einem angenehmen Kontakt zu den Gästen. Wir waren dort sehr bemüht, richtig gut zu kochen. Ich habe da einige Tricks und Rezepte gelernt. Auch habe ich zum ersten Mal das Berliner Hilfesystem kennengelernt, also die Tafel, Foodsharing etc. Seitdem habe ich mich immer wieder in den Kältehilfe-Notübernachtungen der Neuen Chance engagiert. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir die erste Saison in der Corona-Zeit. Da war die Anzahl der Gäste stark reduziert, und wir waren eine reine Fraueneinrichtung. Der Kontakt wurde dadurch viel intensiver und man hat die Frauen viel besser kennengelernt. Das waren größtenteils sehr harte Schicksalsschläge. Deshalb fand ich es auch beeindruckend, wie freundlich und gut gelaunt manche unter diesen Umständen waren.
Meine Vorgängerin ist dann vorletztes Jahr wieder in ihre Heimat gegangen. Sie hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, ihren Job als Koordinatorin zu übernehmen. Ich wusste recht viel über ihre Arbeit und musste deshalb nicht lange überlegen. Aber erst als es losging, habe ich gemerkt, dass es sehr viele kleinteilige Aufgaben gibt, die man als ehrenamtliche Mitarbeiter*in gar nicht wahrnimmt.
Was sind die Aufgaben einer Nachtbereitschaft?
Die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen müssen zuallererst den Gästen gegenüber eine freundliche Aufgeschlossenheit mitbringen, sonst geht gar nichts. Die Gäste haben manchmal Bedarf, mit jemandem zu reden, ihr Herz auszuschütten. Es geht viel um zwischenmenschliches Miteinander. Aber im Kern geht es um Aufgaben, die den Haushalt betreffen. Das heißt: Abendessen kochen, das Frühstück vorbereiten, für heißen Tee sorgen. Aber auch Organisatorisches, wie die Vergabe der Betten, die Registrierung der Gäste, Anrufe beantworten, gehört dazu.
Der Einsatz wird selbstverständlich im Rahmen einer Ehrenamtspauschale vergütet. Aktuell sind das 90 Euro pro Nachtschicht.
Welche Herausforderungen gibt es in einer Notübernachtung?
Wir stehen immer wieder vor der Aufgabe, dass wir uns neben dem eigentlichen Betrieb um die Sortierung und sinnvolle Weitergabe von Spenden kümmern müssen, die wir nicht nutzen können. Das frisst viel Zeit und ist immer wieder eine Herausforderung im Alltag. Wir sind natürlich sehr dankbar für alle gut gemeinten Spenden, denn es zeigt, dass Menschen sich über die Schwächeren in der Gesellschaft Gedanken machen. Nur leider bekommen wir immer wieder Kleidung, die für obdachlose Menschen kaum zu gebrauchen ist. Dazu gehören hochhackige Schuhe, Lederslipper, Smokings, alte Hüte. Ein Mensch, der auf der Straße lebt, braucht bequeme Kleidung. Die Menschen sind jeden Tag sehr viel unterwegs. Sie laufen von der Sozialberatung zum Obdachlosencafé und zur nächsten Essensausgabe etc. Das sind viele Kilometer am Tag.
Herausfordernd kann manchmal der Umgang mit den Gästen sein. Es kam schon öfter vor, dass ich einen weinenden Mann vor mir hatte, der völlig verzweifelt war. Das fangen wir dann natürlich auf. Manchmal kommt es auch zu Streit zwischen den Gästen, weil es nicht viel Platz gibt und jeder gern seine Privatssphäre hätte. Das können wir leider kaum bieten. Dann muss man ruhig aber bestimmt die Situation schlichten. Da lernt man mit der Zeit auch einiges über sich selbst, vor allem aber lernt man etwas über Empathie. Außerdem gibt es die Möglichkeit, als ehrenamtliche Nachtbereitschaft eine Fortbildung zu machen, die einen auf solche Situationen vorbereitet.
Wie kann man euch in der Notübernachtung unterstützen?
Wir freuen uns immer sehr über gewaschene und intakte Sneaker, Jogginghosen, warme Pullis, Winterjacken, Unterwäsche, Socken und Gehhilfen. Viele Menschen haben jede Menge Bettwäsche und Decken übrig, aber davon haben wir mehr als genug. Wir freuen uns auch sehr, wenn Leute vom Foodsharing vorbeikommen und uns mit zusätzlichen Lebensmitteln unterstützen. Ich bin da sehr positiv überrascht von der Hilfsbereitschaft vieler Spender*innen und auch Menschen, die sogar extra für unsere Gäste kochen, Leckereien in der Weihnachtszeit vorbeibringen und sich viele Gedanken machen. Sie tragen dazu bei, dass unsere Gäste trotz ihrer schweren Lebenssituation immer wieder ein paar schöne Momente erleben.
Die Notübernachtung der Neuen Chance ist vom 01.10.2024 bis zum 30.04.2025 jeden Tag ab 19:00 Uhr geöffnet. Es gibt getrennte Schlafräume für Männer und Frauen. Haustiere sind willkommen, wenn die Halter*innen in der Einrichtung gut auf sie aufpassen.
Alle Informationen zum Angebot gibt es hier.
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