Seit der Besetzung des Hauses in der Habersaathstraße 40-48 hat die Neue Chance gGmbH eine besondere Form der niedrigschwelligen Sozialberatung für die Bewohner*innen angeboten. Aufgrund auslaufender Förderung endet das Projekt nun zum 30. April 2023.
Beratungsangebot war gewünscht
Auf Anfrage des Bezirksamtes Berlin-Mitte sowie der Initiative „Leerstand Hab-Ich-Saath“ betreibt die Neue Chance gGmbH seit Beginn der Hausbesetzung im Dezember 2021 in der Habersaathstraße das Beratungsprojekt. Ziel ist es, die zuvor obdachlosen 60 Bewohner*innen sowohl bei Einzug und Zusammenleben als auch bei ihren vielfältigen individuellen Problemen und Anliegen zu unterstützen.
Dass das Beratungsangebot bald nicht mehr da sein wird, macht viele der Bewohner*innen traurig - auch Habibi. Die 43-Jährige war oft für ein unterstützendes Gespräch oder einen Kaffee in der Sozialberatung. Zur offiziellen Abschiedsfeier hat sie Projektleiterin Maike Reiners einen selbstgebastelten "Danke"-Aufnäher mitgebracht. Wo sie und die anderen, die zum Abschieds-Pizzaessen gekommen sind, künftig hingehen werden, um individuelle Beratung und Hilfestellung bei der Antragsstellung, der Wohnungssuche und vielem mehr zu bekommen, wissen sie noch nicht. Denn viele Bewohner*innen sind sehr zurückhaltend, wenn es um Unterstützung geht. "Wir haben sehr viel Energie reingesteckt, damit die Menschen uns hier vertrauen", berichtet Maike Reiners.
Projekt setzt auf Niedrigschwelligkeit
Die Einzigartigkeit des Projektes ist das neuartige Konzept, das auf Niedrigschwelligkeit, Freiwilligkeit und Angebotsflexibilität setzt. So konnten Menschen erreicht werden, die zuvor keinen Zugang zu sozialen Unterstützungsangeboten hatten. Dadurch gelang es u.a. auch, drei Bewohner*innen in eigenen, langfristigen Wohnraum zu vermitteln - eine Besonderheit, ist doch Wohnraum in Berlin extrem knapp!
Angst, in alte Strukturen zurückzufallen
Weiterhin Unterstützung, das ist es, was sich viele Bewohner*innen wünschen. Auch Sven, der seit Anfang der Hausbesetzung in einer der Wohnungen in der Habersaathstraße lebt, sieht dem Projektende kritisch entgegen: "Viele werden ohne die Beratung wieder in alte Strukturen zurückfallen", ist seine Befürchtung. Damit meint er vor allem Drogen- und Alkoholkonsum, aber auch Gewalt. Denn bei zwischenmenschlichen Problemen war die Beratungsstelle bisher ebenfalls eine Anlaufstelle. "Die Bewohner*innen sind teils zu uns gekommen, um sich Rat zu holen. Oft konnten wir ihnen auch einfach eine andere Perspektive auf die Situation gegeben", erzählt Sozialarbeiterin Anja Bockelmann.
Dass das Sozialprojekt zum 30. April beendet wird, ist beschlossene Sache. Bereits seit September 2022 wird die Beratungsstelle nur aus Spenden und Eigenmitteln der Neuen Chance gGmbH auf niedrigem Niveau mit lediglich zwei Sozialarbeiterinnen aufrechterhalten. Von Dezember 2021 bis August 2022 finanzierte das Bezirksamt Mitte das Projekt, das damals noch direkt im betreffenden Haus in der Habersaathstraße mit mehr Personal untergebracht war. Da es jedoch zu keiner Einigung mit der Gebäudeeigentümerin über die weitere Duldung der Bewohner*innen kam, endete die öffentliche Finanzierung des Projektes, das daraufhin in ein nahegelegenes Ladenbüro umzog. Ab dem 1. Mai wird es nun keine spezielle Unterstützung für die Bewohner*innen mehr geben.