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Foto: Lena Obst

Mitarbeitendenportrait: „Kein Haus, keine Einbauküche, keine Kinder“

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Der berufliche Weg, den Christin Fritzsche bei der GEBEWO genommen hat, ist schon erstaunlich: Angefangen hat die Sozialarbeiterin mit einem Praktikum, mittlerweile ist sie Bereichsleitung der ambulanten Wohnungsnotfallhilfe.

Nach dem Abi in den Sozialbereich reinschnuppern

Christin Fritzsche kam im sächsischen Hoyerswerda 1988 zur Welt: Ein sächsischer Zungenschlag lässt sich allerdings nicht raushören. „Wahrscheinlich liegt das daran, dass Hoyerswerda an der Grenze zu Brandenburg liegt“, vermutet sie. Nach dem Abitur ging sie ein halbes Jahr nach Südamerika, wo sie Argentinien, Brasilien und Chile bereiste. Für Kost und Logis arbeitete sie in Kinderheimen. „Ich wollte nicht nur reisen, ich wollte dabei auch etwas Sinnvolles machen und in den Sozialbereich reinschnuppern.“ Südamerika habe sie gereizt, weil sie Spanisch lernen wollte. „In der Schule gabs nur Russisch- und Englischunterricht.“ Zurück in Deutschland machte sie eine Ausbildung zur Sozialassistentin in Dresden, die „sehr praxisorientiert war“. Im Anschluss zog sie für ihr Studium der Sozialarbeit an der ASH nach Berlin.

Vom Praktikum zur Kältehilfekoordination

„Im ersten Semester fing dann auch direkt meine Geschichte mit der GEBEWO an.“ Denn ihr erstes Praktikum absolvierte sie Anfang 2010 in der Teupe. Ihr Anleiter war der damals frisch eingearbeitete Einrichtungsleiter Marcel Deck. In den vier Wochen des Praktikums hospitierte sie unter anderem im Seeling Treff und im Brückeladen. In einer neu eröffneten Kältehilfe-Notübernachtung der GEBEWO in Friedrichshain jobbte sie auch nach dem Praktikum als Nachtbereitschaft und wechselte später in die Notübernachtung für Frauen (NÜF) in der Tieckstraße. „Ich fand den Job abwechslungsreich und spannend und habe damit mein Studium finanziert.“ Nach ihrem Bachelor-Abschluss folgte ein dreisemestriger Master-Studiengang, der sich um Praxisforschung in Sozialer Arbeit drehte. Für ihre Abschlussarbeit „Die Versorgung von Trans*Menschen in der Berliner Wohnungslosenhilfe“ führte sie zahlreiche Interviews mit Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe. Als sie dabei mitbekam, dass in der NÜF eine Teilzeitstelle als Koordinatorin / Sozialarbeiterin frei wurde, bewarb sie sich dort im Sommer 2015 erfolgreich. Mit einem kleinen Stellenanteil koordinierte sie zusätzlich in zwei darauffolgenden Wintern die Kältehilfe-Notübernachtung in der Arcostraße mit 40 Plätzen in Charlottenburg. Ab 2018 war sie dann Mitarbeiterin in der Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe.

Bereichsleitung?  „Ich will das machen.“

Ein Jahr später wurde sie stellvertretende Vorsitzende der neu gegründeten Mitarbeiter*innenvertretung (MAV). „Als klar war, dass ich Bereichsleiterin werde, konnte ich natürlich nicht mehr in der MAV mitarbeiten, obwohl mir die Aufgabe sehr viel Spaß gemacht hat“, erzählt Christin Fritzsche. Als MAV-Mitglied habe sie den Träger GEBEWO „noch mal anders kennengelernt“ und in unterschiedliche Bereiche geblickt. „Ich bin sicher, dass ich als Bereichsleiterin von diesen Erfahrungen profitieren werde, weil ich viele interne Abläufe begleiten konnte.“ Vor ihrer Bewerbung auf die Stelle als Bereichsleiterin als Nachfolgerin von Hartmut Heidt hat sie „erst mal ein paar Nächte darüber geschlafen und intensiv nachgedacht“. Das Ergebnis war dann ganz klar: „Ich will das machen.“ Vor der Zusage standen drei Bewerbungsgespräche, „die einige Elemente eines Assessment-Centers aufwiesen“, blickt sie zurück. „Es war anstrengend, aber es hat auch Spaß gemacht.“ Der frisch gebackenen Bereichsleiterin war klar, dass sie eine gute Einarbeitung brauchen würde. „Ich wusste aber auch, dass ich die bekomme“. Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit sieht die 34-Jährige darin, die interne Kommunikation und die Schnittstellenarbeit, aber auch den Bereich der Personalentwicklung zu stärken. „Bei einem so großen Träger mit so vielen Mitarbeitenden ist es wichtig, dass die Informationen fließen, so dass möglichst viele auf dem gleichen Stand sind.“

Reiselust und privates Engagement

In Neukölln wohnt sie zusammen mit ihren beiden Kaninchen Oskar und Ella in einer Altbauwohnung direkt am Kanal. „Ein Haus, eine Einbauküche oder Kinder gehörten noch nie zu meinem Lebenskonzept.“ Ihre Leidenschaft für das Reisen hat sie beibehalten, in Brasilien hat sie zuletzt vor drei Jahren Bekannte besucht. Freunde von ihr haben vor zehn Jahren den Verein Rollis für Afrika gegründet, der ausgemusterte Rollstühle und Gehhilfen in Deutschland sammelt. Einmal im Jahr werden sie von Rotterdam in den Senegal verschifft und dort an Bedürftige verteilt (siehe Link unten). „Ich war 2013 bei einer vierwöchigen Verteilaktion dabei, das war eine sehr beeindruckende Erfahrung, die ich wiederholen werde.“ Es geht beim Reisen aber auch eine Nummer kleiner: „Ich bin ein großer Fan von Rügen und der Ostsee, das hat bestimmt auch mit der DDR-Geschichte meiner Eltern zu tun.“ Pandemiebedingt hat sie das „Fahrradfahren neu entdeckt“, dieses Jahr geht es nach Usedom. „Ich mag das Meer und den freien Blick bis zum Horizont.“ In Berlin geht Christin Fritzsche gern auf Konzerte, ins Kino oder Theater, was bekanntermaßen in den letzten Monaten ziemlich schwierig war. Ihre musikalische Heimat sind Punk oder Hip-Hop von Bands wie die Antilopen-Gang oder die Hamburger Combo Neonschwarz. Sportlich betätigt sie sich regelmäßig als leidenschaftliche Kicker-Spielerin gerne in Neuköllner Kneipen. Literarisch interessieren sie besonders Biografien. Neulich hat sie die Lebensgeschichte von Astrid Lindgren gelesen, die Autorin von „Pippi Langstrumpf“ – „Das ist endlich mal eine weibliche Heldin, die nicht dauernd gerettet werden muss.“