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Foto: Anna Lederle

Hilfe, wenn’s zu viel wird – Jugendsuchtberatung Treptow-Köpenick

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Im Jugendalter kommen viele Menschen früher oder später in Kontakt mit Suchtmitteln. Was einerseits Spaß machen kann und aufregend ist, kann andererseits zu Abhängigkeitsmustern führen. Ein Angebot, das jungen Menschen zum Thema Sucht Aufklärung, Beratung und Unterstützung anbietet, ist die Jugendsuchtberatung der GEBEWO in Treptow-Köpenick. Hier arbeitet die Sozialarbeiterin Nicole. Wir haben mit ihr über Suchtmittel und den Umgang junger Menschen damit gesprochen.

Hallo Nicole! Was ist die Idee hinter einer spezifischen Suchtberatung für junge Menschen?

Nicole: Viele junge Menschen haben wenig Bewusstsein darüber, dass ihr Suchtmittelverhalten missbräuchlich oder gar abhängig ist. Sie tragen noch keine komplette Verantwortung für ihr Leben und stecken noch voll in der Rebellion drin. Da steht „komplett aufhören“ oft gar nicht an erster Stelle. Die Jugendsuchtberatung möchte eben auch die Jugendlichen erreichen, die noch gar nicht entschieden haben, ob sie Veränderung ihrer Verhaltensweisen bzgl. Suchtmitteln vornehmen wollen.

Wie erreicht ihr junge Menschen mit dem Beratungsangebot?

Nicole: Im Gegensatz zu einer klassischen Suchtberatung, arbeitet die Jugendsuchtberatung aufsuchend und begleitend. Das heißt, die Jugendlichen kommen nicht zwangsläufig zu einem Besuch ins Büro, sondern ich suche auch Orte auf, an denen sich Jugendliche im Bezirk aufhalten und halte Kontakt zu anderen Jugendhilfeeinrichtungen.

Was bietest du ihnen an, wenn ihr ins Gespräch kommt?

Nicole: Wenn wir ins Gespräch kommen versuche ich Vertrauen herzustellen und mehr über die Jugendlichen, ihr Leben, ihre Probleme zu erfahren und ihnen einen Rahmen zu geben, den eigenen Konsum zu reflektieren. Klassische Suchtberatungen schauen primär auf das Thema Sucht – ich schaue eher erstmal, wie ist eigentlich ihr Leben. Klar, auch auf den Konsum, aber auch: Was beeinflusst das Suchtmittelverhalten? Da gibt es viele Faktoren und entsprechend individuell ist auch das Unterstützungsangebot. Wenn sich z. B. herausstellt, dass sie etwas verändern wollen und dafür weitere Hilfen benötigen, stelle ich den Kontakt zu Ärzt*innen, Therapien, Krankenhäusern, Eingliederungshilfe, etc. her. Auf Wunsch begleite ich sie zu ersten Terminen, um Ängste und Unsicherheiten zu nehmen und sicherzustellen, dass die jungen Menschen dort ankommen.

Was für Jugendliche nutzen das Angebot?

Nicole: Also konzeptionell ist unser Angebot für 16-25-jährige, aber wir haben immer auch mal Jüngere in der Beratung. Es sind oft Jugendliche, die ein schwieriges Leben haben/hatten, zu Hause keine ausreichende Unterstützung haben, zum Teil mit Gewalterfahrungen und häufig die Schule abgebrochen haben. Viele haben den Kontakt zur Jugendsuchtberatung über eine anderen Stellen bekommen, z.B. der Jugendberufsagentur, Schulsozialarbeit, Wohngruppenbetreuern oder auch letztens einer von seinem Therapeuten.

Sind alle Jugendlichen freiwillig bei dir in der Beratung?

Nicole: Man muss klar sagen, dass einige, nur kommen, weil sie müssen. z. B. wegen der Eltern, der Schule oder der Jugendberufsagentur.  Die sind dann erstmal entsprechend unmotiviert. Ich zeige ihnen, dass ich sie respektiere und mich für ihre Lebenswelt interessiere. Manchmal gibt es ein anderes Problem, bei dem ich jemanden erst einmal unterstützen kann, z. B. einen Alg II Antrag stellen, wodurch ich als Person mehr Akzeptanz gewinne. Daneben beginne ich langsam mit Nachhaken, so dass irgendwann die Chance besteht, dass jemand sagt: „Jetzt ist es so weit, ich möchte was verändern, kannst du mich unterstützen?“ Deshalb gehe ich auch regelmäßig in verschiedene Jugendprojekte; damit man meine Nase schon mal gesehen hat und ich keine Fremde mehr bin.

Was sind die häufigsten Suchtmittel, die dir im Arbeitsalltag begegnen?

Nicole: Also Cannabis ist berlinweit das häufigst gebrauchte, illegale Suchtmittel bei Jugendlichen und wird oftmals total akzeptiert.. Die Konsumenten finden sich in allen sozialen Strukturen, egal ob jemand die Schule abgebrochen hat oder kurz vorm Abitur steht. Ich glaube manchmal, Cannabis ist sogar mittlerweile beliebter als Alkohol. Auch wenn Alkohol natürlich die gesellschaftlich akzeptiertere Droge ist, bei denen die Eltern auch weniger etwas sagen. Ansonsten gibt es in Treptow-Köpenick  viel Amphetamine und Ecstasy.

Bei welchen Suchtmitteln fällt es den Jugendlichen besonders schwer, an ihrem Konsumverhalten etwas zu verändern?

Nicole: Schwierig ist ganz klar alles, was körperlich abhängig macht, dazu gehören z. B. Opiate und Alkohol. Bei einer körperlichen Abhängigkeit sollte man nicht mehr alleine aufhören, sondern sich ärztlich begleiten lassen, zum Beispiel im Krankenhaus.   Ansonsten glaube ich, ist es vor allem bei den gesellschaftlich akzeptierten Suchtmitteln schwerer aufzuhören, wie z. B. bei Alkohol. Wenn jemand zum Beispiel Kokain nimmt und die Freund*innen auch und die Person dann sagt „mir wird das zu viel, ich höre mal auf“ dann wird das meistens besser akzeptiert, als wenn jemand sagt „ich trinke nicht mal mehr ein Bier“. Und dann gibt es neben den stoffgebundenen Abhängigkeiten ja auch nicht stoffgebundene Süchte, wie Internetsucht, Spielsucht oder auch Essstörungen. Spielen und ins Internet gehen kann man heute von jedem Smartphone und ein Leben ohne ist heute kaum vorstellbar. Genauso ist es mit Essen, da ist Abstand nicht möglich, sondern es muss wieder ein gesunder Konsum gelernt werden.

Letzte Woche war ja der Internationale Anti-Drogen-Tag der WHO. Wie Anti-Drogen bist du eigentlich selbst?

Nicole: Anti-Drogen..mh, das ist wirklich ein fürchterlicher Begriff. Ich denke, das Drogen eine Realität sind in unserer Gesellschaft mit der man umgehen muss. Wenn ich jetzt zu den Jugendlichen hingehe und wie in den 80ern sage „Keine Macht den Drogen“ und „ihr konsumiert, oh mein Gott, das ist total gefährlich, ihr müsst sofort aufhören“ dann würde ich nicht in einer Jugendsuchtberatung arbeiten können. Dann würden die sagen „was will die Frau, die soll mich mal in Ruhe lassen“.
Es ist schon wichtig eine klare Haltung zu haben im Sinne von „Suchtmittel sind eine Gefahr, sie schaden und können abhängig machen. Aber ich kann auch verstehen, dass du konsumierst“. Und zu Fragen „was sind denn deine Gründe? Willst du Spaß haben mit Kumpels, willst du dich ablenken von deinen Problemen, ist es Flucht aus dem Alltag, Neugier oder der Wunsch nach Entspannung?“ Etwas, das wir wahrscheinlich alle kennen und warum wir selbst schon mal zu legalen Suchtmitteln greifen.

Von daher finde ich eine Gesellschaft, die sagt wir haben hier so einen Anti-Drogen-Tag und sich dazu mit einem Glas Sekt anstößt ist auch irgendwie seltsam. Ich persönlich wäre eher für eine Entkriminalisierung von Drogenkonsum, verbunden mit mehr Angeboten zur Aufklärung und Beratung.

Wie kann man Betroffene als nahestehende Person unterstützen?

Nicole: Das Wichtigste ist ehrlich darüber zu reden und die eigenen Beobachtungen bei der Person anzusprechen. Nicht mit dem vorgehaltenen Finger und Vorwürfe machen, sondern sagen, was einem auffällt und die eigenen Sorgen aussprechen. Zum Beispiel: „Ich sehe, dass du am Wochenende immer wieder betrunken bist. Aus meiner Sicht ist das zu viel und ich habe Sorge, dass du dir schadest.“ Ebenfalls wichtig: mit der Person und nicht mit anderen über sie zu reden.

Letztlich ist es am Wichtigsten in Kontakt zu bleiben und das Gespräch zu suchen. Nur so kann man wirklich dabei unterstützen den Konsum zu reflektieren und dadurch möglicherweise den Willen das Suchtmittelverhalten zu verändern unterstützen.

Vielen Dank für das Gespräch!
Alle Infos zur Jugendsuchtberatung findet ihr hier.