Eingabehilfen öffnen

Im Gespräch mit Robert Veltmann: „Mehr als 40.000 Menschen in Berlin ohne Wohnung“

• geschrieben am

Menschen in Notlagen helfen und ihnen eine Perspektive geben: Das ist seit fast 30 Jahren die Mission der GEBEWO. Im Interview berichtet einer der beiden Gründer und Geschäftsführer Robert Veltmann (57, selbst Diplom-Sozialarbeiter/ Sozialpädagoge) von den Anfängen der GEBEWO – davon, wie schnell Wohnungslosigkeit einen treffen kann und wie sich die GEBEWO konkret für Menschen in Notlagen engagiert.

Herr Veltmann, die GEBEWO ist heute eine der führenden Organisationen der Obdach- und Wohnungslosenhilfe in Berlin. Wie kamen Sie auf die Idee, eine eigene Organisation zu gründen?

Als wir uns Ende 1993 auf den Weg machten, war die Wohnungsnot in Berlin schon groß und die Wohnungslosenzahlen stiegen. Im Berliner Westen gab es bereits etablierte Hilfsorganisationen, im Ostteil der Stadt nach der Wiedervereinigung jedoch noch nicht wirklich. So gründeten wir – zwei junge, ambitionierte Sozialarbeiter – in Pankow eine Unterkunft für obdachlose Männer. Damit begann alles.

Und heute hat die GEBEWO über 30 Einrichtungen! Das ist sicher auch gut so, denn die Situation in Berlin ist ja nicht einfacher geworden…

Allerdings: In Berlin haben derzeit mehr als 40.000 Menschen keine eigene Wohnung! Etwa zehn Prozent von ihnen leben direkt „auf der Straße“ und führen ein Leben in Armut, Mangel und oft ohne Perspektiven.

Kann es wirklich so schnell gehen, in die Obdachlosigkeit abzurutschen?

Es gibt einfach zu wenig bezahlbare Wohnungen und die Preise steigen aktuell spürbar. Das führt bei vielen Menschen zu enormem finanziellem und sozialem Druck. Aber auch biografische Brüche wie Tod oder Trennung, der Verlust des Arbeitsplatzes, Depressionen oder andere psychische Belastungen können Menschen komplett aus der Bahn werfen. Der Verlust der Wohnung ist dabei ein sichtbarer sozialer Kipppunkt. Diese Situation lähmt viele Menschen, alles erscheint aussichtslos. Nicht alle haben ausreichend finanzielle Ressourcen oder ein tragfähiges soziales Netzwerk, um die drohende Katastrophe zu verhindern.

Und die GEBEWO hilft in diesen Fällen?

Wir sind präventiv tätig und unterstützen Menschen mit Mietschulden, um ihren drohenden Wohnungsverlust zu vermeiden.

Daneben haben wir für Menschen, die bereits wohnungs- bzw. obdachlos geworden sind, ambulante Angebote wie Tagesstätten oder eine Arztpraxis, in der Menschen auch ohne Krankenkassennachweis behandelt werden.

Zusätzlich bieten wir im Winter mehr als 1.000 Plätze in Kältehilfe-Notübernachtungen. Doch Wohnungsnotfallhilfe ist kein Saisonjob: Obdachlosigkeit ist auch im Sommer schlimm. Deshalb läuft unsere Arbeit das ganze Jahr über auf Hochtouren und wir bieten etwa 1.000 stationäre Plätze in verschiedenen Wohnformen wie Gemeinschaftsunterkünften, Wohngemeinschaften und Einzelwohnungen.

Bekommen die Menschen dort noch weitere Unterstützung?

Selbstverständlich! Wir stellen nicht nur ein Dach über dem Kopf, wir unterstützen, versorgen, beraten und betreuen Menschen auf sehr unterschiedliche Weise. Denn viele der Menschen, die ohne Wohnung sind, haben ernsthafte persönliche Probleme, sind beispielsweise überschuldet, langzeitarbeitslos oder chronisch krank.

In unseren besonderen Wohnformen leben Menschen mit jahrelanger Wohnungslosenbiografie und erheblichen Folgeproblemen wie psychiatrischen Beeinträchtigungen oder schweren Suchterkrankungen. Sie erhalten dort engmaschige Unterstützung, um wieder Teilhabe in der Gesellschaft erlangen oder ihre gesundheitlichen Probleme in den Griff bekommen zu können. Dafür ist viel Herz und „Manpower“ notwendig. Deshalb arbeiten in all unseren Wohnformen gut ausgebildete Fachkräfte – vor allem Sozialarbeitende, aber auch Pflegekräfte, Psycholog*innen und Ergoassistent*innen.

Die GEBEWO gibt es jetzt seit fast 30 Jahren. Was hat sich in dieser Zeit verändert?

Das Gesicht der extremen Armut hat sich sehr verändert – auf mehreren Ebenen. Armut betrifft in den letzten Jahren zunehmend auch Familien mit minderjährigen Kindern. Diese brauchen andere Hilfeangebote. Wir bieten daher auch familiengerechte Unterkünfte an und setzen dort Erzieher*innen ein. Zudem ist Armut auch diverser geworden: Es gibt zum Beispiel auch Transpersonen, die unsere Angebote aufsuchen. Insgesamt lässt sich sagen, dass Armut vor allem internationaler geworden ist. Deswegen brauchen wir auch noch mehr Mitarbeitende mit Fremdsprachenkenntnissen und Kultursensibilität.

Das heißt, Sie sind auf der Suche nach neuen Mitarbeitenden?

Wir suchen immer wieder neue Mitarbeitende, gern mit Fremdsprachenkenntnissen, aber auch generell einfach engagierte Menschen, die dazu beitragen wollen, unsere Gesellschaft lebenswert zu halten. Praktikant*innen und Ehrenamtliche sind natürlich auch willkommen. Wir agieren unter dem Motto: Allen Menschen eine Perspektive geben!

Freie Stellen der GEBEWO bzw. ihrer Tochtergesellschaften (Verbund sozial.berlin) sind hier zu finden:

www.gebewo.de/stellenangebote

www.neuechance.berlin/stellenangebote